Auf einer Bank im Park (Teil 3) 🔒

„Oh mein Gott!“ waren Andreas erste spontane Worte gewesen.

„Was ist los?“ hatte Tina gefragt.

„Oh mein Gott, das kann doch nicht wahr sein!“ Andreas hatte wie gebannt auf die Bühne geblickt.

„Was ist denn dort? Kennst du dort jemanden?“

„Ja“ hatte Andreas geantwortet. „Kannst du dich noch an Stefanie erinnern? Die ich damals im Park getroffen hatte?“

 

„Aber ja natürlich, wie könnte ich das vergessen?“ hatte Tina gemeint.

„Die zweite von links – das ist sie.“

„Oh!“ hatte Tina nur noch sagen können.

Und nun saß Tina selbst in dem Park auf der besagten Parkbank. Jedenfalls hoffte sie, dass sie auf der richtigen Bank saß. Sie hoffte ebenfalls, dass sie Stefanie bekleidet wiedererkennen würde und dass sie überhaupt mit ihr sprechen würde, wenn sie denn überhaupt käme.

Die Zweifel, ob sie Stefanie wiedererkennen würde, erwiesen sich bald als unbegründet. Sie erkannte sie sofort, auch wenn sie diesmal normale Alltagskleidung trug. Tina bemerkte auch den leicht verärgerten Blick, als Stefanie sie auf der Bank entdeckte. Sie wusste ja nicht, wer sie war. Deshalb sprang Tina dann auch sofort auf und ging Stefanie entgegen. „Stefanie?“

Stefanie blieb erstaunt stehen. „Ja – wer sind Sie?“

„Ich bin Tina – Andreas Frau.“

„Oh! Aber wo ist Andreas?“ Stefanie blickte sich um.

„Ihm ist etwas Dringendes dazwischen gekommen. Es ist ihm sehr unangenehm, aber es ging nicht anders. Deshalb schickt er mich.“

Stefanie schwieg kurz, schien zu überlegen. Dann trat sie einen Schritt vor und reichte Tina die Hand: „Hallo, freut mich, dich kennen zu lernen.“

„Oh, das tue ich auch!“ Dankbar schüttelte Tina Stefanie die Hand.

„Ich hatte schon Angst, dass du weg läufst, wenn ich mich vorstelle.“

„Ich gebe zu, dass der Gedanke kurz kam. Ich hoffe, du bist mir nicht mehr böse.“

„Böse? Weshalb denn?“

„Nun ja, ich weiß nicht, was dir Andreas alles über uns erzählt hat, aber ich habe da mal was getan, das dir wohl nicht unbedingt gefallen hätte.“

„Ach, du meinst den Kniefall?“

„Ja, du weißt es also?“

„Ich denke, Andreas hat mir wirklich alles von damals erzählt. Und böse – nein, das wäre ich höchstens auf Andreas gewesen, wenn er anders reagiert hätte. Aber so… irgendwie bist du ja der Grund, warum Andreas und ich uns quasi ein zweites Mal gefunden haben. Ich bin dir nicht böse.“

„Das freut mich wirklich!“

„Wollen wir uns nicht setzen?“ fragte Tina und deutete auf die Parkbank.

Stefanie betrachtete Tina insgeheim. Andreas hatte damals nicht gelogen, Tina wirkte sehr selbstsicher auf sie. Aber auch Stefanie hatte im vergangenen Jahr an Selbstsicherheit hinzu gewonnen. Ihre klare Entscheidung für ein komplett anderes Leben, das sogar die Trennung von ihrem Mann zur Folge gehabt hatte, war nicht spurlos an ihrem Selbstbewusstsein vorbei gegangen. Obwohl sie sich für ein Leben als Sklavin entschieden hatte und sie sich bewusst war, dass sie eine recht extreme Form gewählt hatte, war sie an der Situation dennoch gewachsen.

Nachdem sie sich gesetzt hatten, setzte Tina das Gespräch fort.

„Ich muss sagen, nachdem Andreas dich auf der Bühne erkannt hatte, waren wir ganz schön überrascht… und auch schockiert, um ehrlich zu sein.“

Stefanie lächelte. „Das glaube ich euch gerne. Ich gebe zu, dass es mir auch etwas unangenehm ist, dass ihr zugesehen habt. Alle anderen sind mir inzwischen egal… aber Andreas… und du. Ich hoffe, der Schock ist mittlerweile überwunden?“

„Nun ja, ich muss da doch immer wieder daran denken. Wenn ich die Vorstellung gesehen hätte, ohne dass jemand uns bekanntes dabei gewesen wäre, dann hätte mich das sicherlich nicht so berührt. Aber so fragt man sich dann doch, wie du auf diese Bühne gekommen bist? Wer war dieser Herr, der dort so viele Frauen vorgeführt hat? Dein Herr?“

„Nein, meiner hat mich nur an ihm verliehen. Er ist ein Freund meines Herren.“

„Offensichtlich bist du einen ganz anderen, sehr viel extremeren Weg gegangen, als wir das tun.“

„Ja, das kann ich wohl nicht leugnen.“

„Auch wenn wir uns eigentlich nicht kennen… willst du mir erzählen, was im vergangenen Jahr passiert ist?“

Und so erzählte Stefanie, was alles geschehen war. Beim erzählen wurde ihr bewusst, wie rasant dieses Jahr an ihr vorbei gezogen war und was sie alles erlebt hatte. Nachdem sie damals beschlossen hatte, dass sie ihre Neigungen nicht länger unterdrücken konnte, hatte sie es nochmals bei ihrem Mann versucht. Diesmal ihrer Meinung nach ganz sanft. Sie hatte ihn beispielsweise gebeten, sie beim Sex einmal an den Armen festzuhalten. Sie war vor ihm auf die Knie gegangen und hatte ihn verwöhnt. Doch es kam nichts zurück. Anfangs hatte er zwar mitgemacht, aber bald schon war ihm klar geworden, worauf das hinauslief. Von da an war zwischen ihnen sexuell gar nichts mehr gelaufen. So hatte Stefanie nach anderen Möglichkeiten gesucht. In einem anderen Chat unter anderem Namen hatte sie ihre Fühler ausgestreckt. Wenn sie eine passende Ausrede hatte, war sie auf Stammtische gegangen. Bald hatte sie sich mit einer anderen Sub angefreundet, so dass sie zu solchen Ereignissen nicht alleine gehen musste. Irgendwann war es dann soweit gewesen. Sie hatte ihre ersten realen Erfahrungen gemacht. Bewusst hatte sie sich einen Mann ausgesucht, der keine dauerhafte Beziehung wollte. Sie wollte erstmal austesten, in sich selbst hinein horchen, was da nun mit ihr geschah. Sie fühlte sich bestätigt, suchte weiter, wollte mehr. Nicht diese einmaligen Abenteuer waren das, was sie suchte. Nein, sie wollte jemanden gehören. Ganz. Total. Vollkommen. Ihre Ehe? War vorbei. Es schmerzte, sehr sogar. Aber war nicht zu ändern. Sie trauerte schon, als ihr Mann noch gar nicht wusste, dass es vorbei ist. Dann kam Thorsten. Kennen gelernt hatte sie ihn auf einem Stammtisch. Sie merkte, wie sie auf ihn reagierte. Sie wurde die Seine, er formte sie nach seinen Wünschen, immer weiter. Bis zum heutigen Tage.

Als sie geendet hatte, schaute Tina sie lange an. Und sie war die erste, die ihr nach fast einem Jahr diese Frage stellte: „Bist du glücklich?“

„Ich weiß es nicht.“ war die ehrliche Antwort nach einer kurzen Denkpause.

„Weiß Thorsten, dass du heute hier bist?“

„Aber natürlich!“

„Verzeih, ich bin nur noch nie jemanden so wie dir begegnet.“

„So jemandem wie mir?“

„Ja, jemandem, der sein Leben so total umgekrempelt hat. Jemandem, der so absolut bedingungslos Sklavin ist.“

„Tja, vor einem Jahr hätte ich das wohl auch nicht so glauben können. Bist du denn glücklich?“

„Im Moment ja. Ich hoffe, es bleibt so. Andreas und ich befinden uns derzeit auf einer aufregenden Reise. Auch ich hätte mir das vor einem Jahr nicht so vorstellen können. Auch wenn wir unsere Leidenschaften wohl ganz anders leben als du das tust.“

„Inwiefern?“

„Wir beide sind nur zeitweise Dom und Sub. Ansonsten führen wir unser ganz normales Eheleben weiter.“

„Das ist für mich sehr schwer vorstellbar. Ich glaube, ich könnte das nicht. Entweder ganz oder gar nicht. Wobei man das wohl nicht weiß, wenn man es noch nie ausprobiert hat.“

Stefanie sah auf ihre Uhr. „Oh, ich muss gehen!“

„Schade! Wollen wir in Kontakt bleiben?“

„Wenn ich die Erlaubnis dazu erhalte, gerne.“

Tina lächelte. „Es ist wirklich sehr schwer für mich, dein Leben zu verstehen. Aber genau deshalb würde es mich sehr freuen, dich wiederzusehen. Das nächste Mal hoffentlich mit Andreas.“

„Wir werden sehen.“

Tina reichte ihr noch eine Visitenkarte. „Hier stehen nochmals alle unsere Daten drauf, solltest du die Serviette nicht mehr haben. Wenn du je Freunde brauchst, werden wir für dich da sein.“

„Danke, ich weiß das wirklich zu schätzen.“

Dann trennten sich die Wege der beiden Frauen.

Tina sollte Stefanie schneller wiedersehen, als sie geglaubt hatte. Schon wenige Tage nach ihrem Treffen hatten sie es sich mit Andreas vor dem Fernseher auf dem Sofa gemütlich gemacht, als es an der Tür klingelte.

„Wer kann das jetzt noch sein?“ fragte Tina verwundert.

„Ich weiß es auch nicht, ich seh’ mal nach.“

Kurzer Zeit später stand Andreas mit einer recht nassen Stefanie, die sich an eine Reisetasche klammerte, wieder im Wohnzimmer.

„Schau mal, wen ich hier habe.“ sagte Andreas zu Tina.

Tina sprang verdutzt auf. „Stefanie! Was machst du hier? Was ist los?“

„Kann ich heute Nacht bei euch schlafen? Ich wusste nicht, wohin ich sonst hätte gehen sollen.“

„Aber was ist denn passiert?“ fragte Tina.

„Ich glaube, ich habe vorhin Thorsten verlassen.“

Tina nahm daraufhin Stefanie einfach nur in den Arm.

„Richtest du bitte das Gästezimmer her?“ bat sie Andreas. Der nickte nur und verschwand.

„Hast du schon etwas gegessen?“

„Danke, aber ich habe wirklich keinen Hunger.“

„Etwas zu trinken? Ich mache dir einen Tee.“

Bald darauf saß Stefanie mit einer heißen Tasse Tee auf dem Bett im Gästezimmer. Andreas hatte diskret das Feld geräumt, damit Stefanie von Frau zu Frau sprechen konnte, falls ihr danach war.

„Brauchst du noch etwas?“ fragte Tina sie.

„Nein, das Nötigste habe ich eingepackt.“

„Willst du noch reden oder soll ich dich alleine lassen?“

„Oh Gott, er fehlt mir jetzt schon!“ Tränen liefen über Stefanies Gesicht.

Tina nahm eine Packung Taschentücher aus einer Schublade und reichte sie stumm Stefanie.

„Danke, die werde ich wohl noch brauchen.“

„Da drin sind noch mehr.“

Stefanie lächelte gequält. „Ich werde wohl versuchen, zu schlafen.“

„Ja, versuche das. Morgen ist ein neuer Tag, dann sehen wir weiter. Und du kannst hier gerne eine Zeit lang bleiben. Dann ist das Gästezimmer wenigstens einmal zu etwas gut.“

„Danke, dass ihr mich einfach so aufgenommen habt. Ich wusste nicht, wohin auf die Schnelle und hatte kaum Bargeld.“

„Kein Problem. Versuche nun, zu schlafen. Morgen kannst du erzählen, wenn du magst.“

Als Stefanie am nächsten Tag am späten Vormittag endlich aus ihrem Zimmer kam, fand sie einen Zettel auf dem Küchentisch:

Liebe Stefanie!

Wir sind beide in der Arbeit. Andreas wird sich aber den Nachmittag freischaufeln. Bitte fühle dich bis dahin wie zu Hause. Im Kühlschrank findest du ein Frühstück.

Tina und Andreas

Stefanie freute sich, noch etwas alleine zu sein und dass die beiden ihr so viel Vertrauen schenkten, sie alleine im Haus zu lassen. Erstaunt stellte sie fest, dass sie tatsächlich Hunger hatte und bediente sich im Kühlschrank. Dann dachte sie nach, was als nächstes zu tun war. Sie rief mit ihrem Handy in ihrer Arbeit an und fragte, ob sie sich die nächsten Tage frei nehmen könnte. Glücklicherweise ging das. Gerade als sie das Handy wieder auf den Küchentisch gelegt hatte, meldete es sich wieder, dass eine SMS eingetroffen war.

Wo bist du?

Die SMS war von Thorsten. Stefanie zitterte fast. Sollte sie antworten?

In Sicherheit. Bei Andreas und Tina.

Kurze Zeit später kam schon die Antwort.

Gib mir die Adresse, dann bringe ich dir noch den Rest deiner Sachen.

Stefanie musste schlucken. Es tat ihr weh, dass er sie offensichtlich schon so schnell abgeschrieben hatte. Er würde ihr seine Sachen vorbei bringen und das sollte es dann gewesen sein? Schon wieder brannten ihr die Tränen in den Augen. Zudem hatte sie Angst, ihn nochmals zu sehen.

„Habt ihr telefoniert?“

Stefanie zuckte zusammen. Andreas stand mit einem Mal in der Küchentür.

„Oh entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Stefanie lächelte. „Ich hab’ dich gar nicht kommen gehört, ich war wohl total in Gedanken.“

„Und, hast du telefoniert?“

„Nein… ja… also nicht mit ihm, habe mir nur ein paar Tage frei genommen. Aber Thorsten hat eine SMS geschrieben.“

„Was schreibt er?“

„Er will eure Adresse, damit er mir meine restlichen Sachen vorbei bringen kann.“

„Na, der hat es aber eilig.“

„Ja, so in etwa dachte ich auch gerade.“

„Willst du ihn denn sehen?“

„Mir ist etwas mulmig zumute.“

„Wenn du magst, dann nehme ich deine Sachen von ihm entgegen. Nun bin ich ja da.“

„Oh ja, das wäre sehr nett von dir.“

Erleichtert teilte Stefanie Thorsten nun die Adresse mit.

Andreas machte sich inzwischen in der Küche zu schaffen und begann, ein kleines Mittagessen zu kochen.

„Du kannst kochen?“ fragte Stefanie erstaunt.

„Ja natürlich, willst du auch etwas?“

„Nein danke, ich habe gerade erst gefrühstückt. Aber du bist der erste Mann, den ich kenne, der auch kochen kann. Ich habe zwar schon so Gerüchte gehört, dass es so etwas geben soll, aber begegnet ist mir noch keiner.“ Andreas musste lachen.

„Na, sonst würde ich oft sehr hungrig bleiben oder mich vom Pizzadienst ernähren. Tina muss oft Überstunden machen. Da übernehme ich dann das Kochen. Es macht mir auch Spaß, muss ich zugeben.“

„Kann ich dir helfen?“

„Nein, nein, bleib du mal sitzen. Und Stefanie?“

„Ja?“ sie blickte ihn fragend an.

„Es freut mich, dass wir uns wiedergetroffen haben. Auch wenn ich mir wünschte, es wäre unter erfreulicheren Umständen geschehen.“

„Ja, das wünschte ich mir auch. Aber ich freue mich auch, dich wieder zu sehen.“

Andreas setzte sich zu Stefanie an den Küchentisch und begann Gemüse und Fleisch in kleine Stückchen zu schneiden.

„Magst du mir erzählen, was passiert ist?“

Stefanie seufzte einmal tief. „Tina hat dir erzählt, was ich ihr alles erzählt habe? Was im letzten Jahr so alles bei mir passiert ist und wie ich nun lebe?“

„Ja, das hat sie.“

„Dann weißt du, dass ich zusammen mit einer anderen Frau bei Thorsten lebe. Mit Marie.“

Andreas nickte.

„Das war für mich bislang kein Problem. Irgendwie gab es mir wohl sogar den gewissen Kick, nicht die einzige zu sein. Ich konnte mich dadurch mehr als Sklavin fühlen. Ich mag Marie auch gerne. Aber wir waren bislang irgendwie auch gleichberechtigt. Marie ist vom Typ her zwar ganz anders als ich, sie hat auch andere Vorlieben, ist eher eine Masochistin und nimmt das Ganze nicht so ernst. Aber ich mag sie. Ich hatte eigentlich auch immer den Eindruck, dass sie die Sache mit Thorsten auch nicht so ganz ernst nimmt oder es jedenfalls nichts für die Ewigkeit sein sollte. Das dachte ich bis gestern.“

„Was ist denn gestern vorgefallen?“

„Ich bin früher von der Arbeit nach Hause gekommen. Hätte ich die beiden im Bett erwischt, wäre es etwas Normales gewesen. Das war ja schließlich Bestandteil unserer Beziehung. Aber ich wurde Zeuge einer ganz anderen Situation, mit der ich so gar nicht gerechnet hatte. Die beiden hatten mein Kommen genauso wenig wahrgenommen wie ich heute das deine. Nichtsahnend ging ich zum Wohnzimmer, als ich unfreiwillig Zeuge eines wohl sehr intimen Augenblickes wurde.“

Stefanie machte eine Pause, Andreas sah sie fragend an. Stefanie seufzte tief.

„Ich wurde Zeuge eines Heiratsantrages.“

„Oh, damit hatte ich nun auch nicht gerechnet.“

„Ja, das ging mir auch so. Ich wusste gar nicht, was ich tun sollte. Ich schlich mich aus der Wohnung, ging spazieren und kehrte erst zu einer Zeit zurück, zu der ich normalerweise heim komme. Marie und Thorsten taten so, als sei nichts gewesen. Aber ich konnte so nicht tun. Schon während des Spaziergangs wurde mir klar, dass ich nicht damit leben könnte.“

„Darf ich dich fragen, warum nicht? Ich meine, was würde sich dadurch für dich ändern?“

„Nun ja… du hast schon recht, ich teile Thorsten ja jetzt auch mit Marie. Aber wenn die beiden verheiratet wären…. bisher waren wir immer gleichberechtigt, Marie und ich. Aber dann… weißt du… es gibt da ein Problem.“

„Ja?“

„Ich liebe Thorsten. Ich habe es ihm nur noch nie gesagt. Und jetzt ist es wohl zu spät.“

„Oh, das erklärt dann doch so einiges.“

„Ich weiß nun gar nicht mehr, was ich tun soll, wenn ich ehrlich bin. Ich fühle mich, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen.“

Beide zuckten plötzlich zusammen. Jemand hatte geklingelt.

„Meinst du, das ist er schon?“ fragte Stefanie mit leichter Panik in der Stimme.

„Wenn er sich beeilt hat, kann er das schon sein.“

Andreas stand auf.

„Keine Angst, bleib hier in der Küche, ich lasse ihn nicht zu dir.“

Ein paar bange Minuten wartete Stefanie in der Küche, als die Tür aufging und Andreas wieder herein kam.

„Er ist wieder weg.“ beruhigte er Stefanie als erstes. „Er hat einige Taschen und Kartons gebracht. Sie stehen nun im Flur. Und das hier.“ Andreas reichte ihr einen dicken Umschlag.

„Wenn du ihn alleine öffnen willst, kann ich auch eben rausgehen?“ bot Andreas an.

„Nein, nein, ist schon okay.“

Entschlossen riss Stefanie den Umschlag auf und guckte dann irritiert. Das hatte sie nicht erwartet.

„Was ist drin?“ fragte Andreas neugierig.

„Wie es aussieht, sind das meine Bankunterlagen. Online-PINs, ec-Karte und sowas.“

„Ah ja, Tina hatte mir ungläubig erzählt, dass du Thorsten sogar die Gewalt über dein Geld gegeben hast. Na immerhin kannst du nun wieder auf das Konto zugreifen.“

„Ja… und hier ist so eine Art Abrechnung.“

Stefanie studierte ein Blatt mit mehreren Zahlenkolonnen.

„Das gibt es doch nicht. Er hat genau Buch geführt… oh… und hier hat er doch noch etwas persönlich dazu geschrieben.“

„Was denn für eine Abrechnung?“ fragte Andreas.

„Das Geld, das immer auf sein Konto ging. Davon hat er jeden Monat einen Betrag für Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld abgezogen und den Rest jeden Monat aufgerechnet. Hier unten steht, dass er mir diese Summe in den nächsten Tagen auf mein Konto überweist.“

„Dein Thorsten überrascht mich doch noch. Sonst steht da nichts?“

„Doch, dass er bedauert, dass ich ihn verlasse, er mich gerne noch länger behalten hätte, er mir aber nun alles Gute für die Zukunft wünscht.“

„Das alles hattest du jetzt nicht erwartet, oder?“

„Nein, ich weiß auch nicht, was ich erwartet habe, aber das nicht. Ich hätte eher erwartet, dass er sauer ist, dass ich ihn einfach so verlassen habe. Das gehört sich für eine Sklavin nicht.“

„Nun ja, wir leben ja doch in einem freien Land. Alles andere ist freiwillig.“

„Das sieht aber in der SM-Szene nicht jeder so.“

„Wie fühlst du dich jetzt?“

„Ich… ich bin verwirrt. Meinst du, es war ein Fehler, ihn zu verlassen?“

„Diese Frage wirst du dir wohl selbst beantworten müssen. Aber eines kann ich dir anbieten: Bleibe ruhig so lange bei uns, bis du dein Leben wieder geregelt hast.“

Dieses Angebot nahm Stefanie gerne an. In den nächsten Tagen dachte sie viel nach. Automatisch fing sie an, Andreas und Tina im Haushalt zu unterstützen. Nachts weinte sie nach wie vor sehr viel. Tagsüber beobachtete sie ihre Gastgeber, die ein so anderes SM-Leben führten, als sie das getan hatte. Lediglich anhand einiger Gesten und Andeutungen konnte man erahnen, dass die beiden nicht nur ein normales Paar waren. Handlungen fanden in Stefanies Gegenwart keine statt. Stefanie vermutete richtig, dass die beiden das auch mit Rücksicht auf sie selbst das so handhabten. Langsam fing sie an, an die Zukunft zu denken. Eines Morgens trafen Tina und Andreas sie in der Küche an, wo sie mit einer Tasse Kaffee in der Hand den Immobilienteil der Zeitung studierte.

„Du suchst dir eine Wohnung?“ fragte Tina sie.

„Ja, ich kann euch nicht ewig zur Last fallen.“

„Oh, du störst uns nicht. Ganz im Gegenteil ist es recht angenehm, mit dir zusammen zu wohnen.“

„Danke, aber es geht einfach nicht.“

„Ja, ich verstehe das schon. Andreas, kennen wir nicht jemanden, der Stefanie eine Wohnung besorgen könnte?“ fragte Tina ihren Mann.

„Hm, Peter vielleicht. Ich werde ihn heute gleich mal anrufen.“

„Oh, das ist nett von euch. Durch das viele Geld, das nun wirklich auf meinem Konto gelandet ist, kann ich mir wohl problemlos eine Wohnung samt Kaution und Einrichtung leisten.“

Zwei Tage später hatte sie ihre erste Wohnungsbesichtigung, die ihr von Andreas Freund Peter vermittelt worden war. Die Wohnung gefiel ihr. Eine kleine Zweiraumwohnung. Hell, ruhig gelegen. Eigentlich genau, was sie brauchte. Dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, dort in Kürze zu wohnen. Es fühlte sich nach wie vor falsch an.

Nach der Besichtigung wollte sie zu Fuß in das Haus von Andreas und Tina zurückkehren und dabei nachdenken, ob sie diese Wohnung wirklich nehmen sollte. Nach einer Weile merkte sie entsetzt, dass sie automatisch einen anderen Weg eingeschlagen hatte. Würde sie noch zehn Minuten in diese Richtung weiterlaufen, würde sie vor einem anderen Haus stehen. Dem Haus von Thorsten. Sie ging weiter. Die Gedanken an die Wohnung waren vergessen. Ihre Schritte beschleunigten sich, beinahe lief sie. Endlich stand sie vor dem Haus, in dem sie fast ein Jahr lang gelebt hatte. Sie sah auf ihre Uhr. Ja, er müsste schon zu Hause sein. Sie klingelte. Die Tür öffnete. Thorsten stand mit einem erstaunten Ausdruck auf dem Gesicht vor ihr. Sie warf sich vor ihm nieder. „Oh bitte nimm mich zurück. Bitte, es tut mir so leid. Ich war so dumm. Ich… ich liebe dich doch!“

Nun war es raus. Nach ein paar quälenden stillen Sekunden, in denen sie nicht gewagt hatte, aufzublicken, wurde sie mit einem Mal an ihren Haaren im Nacken gepackt und hochgerissen. „Komm mit!“ sagte Thorsten bestimmt, zog sie hinein, schloss die Tür hinter sich und führte sie anschließend auf den Dachboden. Oben angekommen fing er in einer Seelenruhe an, sie auszuziehen. Stefanie versuchte dabei, seinen Blick zu deuten. Doch Thorsten blickte nur ernst drein und sie wagte es nicht, noch etwas zu ihm zu sagen.

Achtung, der folgende Text ist aus Jugendschutzgründen ausschließlich zwischen 23 und 5 Uhr zu sehen. (Zurück zur Übersicht)

Nachdem er sie komplett entkleidet hatte, brachte er an ihren Hand- und Fußgelenken Fesseln an und kurze Zeit später fand sie sich mit gespreizten Armen und Beinen unter einem Dachbalken angebracht. Sie sah, wie er sich den Rohrstock in der Ecke ergriff. Er ging auf sie zu, hob ihr Kinn an und sah ihr direkt in die Augen. „Verlass mich nie wieder, hörst du?“ Sie konnte nichts sagen, nickte nur mit dem Kopf. „Du brauchst nicht mitzuzählen.“ Bald darauf hallten ihre Schreie durch das Haus. Normalerweise schrie sie nicht. Normalerweise stöhnte sie nur vor Schmerzen. Normalerweise konnte sie aber auch den Schmerz in Lust umwandeln. Doch heute empfing sie die Schläge als das, was sie waren: als Strafe. Dadurch waren sie viel heftiger und Thorsten schonte sie nicht. Ihr Hinterteil, ihre Brüste, ihre Oberschenkel. Kaum ein Körperteil wurde vergessen. Die Spuren würde sie noch wochenlang tragen.

„Du weißt noch dein Safeword?“ fragte Thorsten irgendwann.

„Ja…“ gab Stefanie schwach von sich.

„Willst du es benutzen?“

„Nein…“

Stefanie war in der Tat schon kurz davor gewesen, es auszusprechen. Doch sie wusste, dann wäre alles vorbei. Nicht nur diese Strafe, sondern dann würde er sie nicht mehr zurücknehmen.

„Gut, dann geht es weiter.“

Irgendwann konnte Stefanie nicht mehr. Sie hing nur noch in ihren Fesseln, nahm kaum noch etwas von ihrer Umwelt wahr außer immer wieder den nächsten Schlag. Da hörte es mit einem Mal auf. Ihre Fesseln wurden gelöst, sie sank in sich zusammen.

„Bleib so!“ wurde ihr befohlen. Dann hörte sie, wie er den Raum verließ und kurze Zeit später wieder da war. Was kam jetzt noch? Stefanies Körper war ein einziger Schmerz. Thorsten trat an sie heran. „Komm hoch.“ Behutsam half er ihr hoch, löste ihre Arm- und Fußbänder und nahm sie dann sanft in den Arm. „Ich werde dich wieder zurücknehmen.“ flüsterte er ihr in ihr Ohr. Erleichtert begannen ihr Tränen die Wangen hinab zu laufen.

„Und mehr noch… ich liebe dich auch.“ flüsterte er weiter. Er löste sich wieder von ihr und ging auf die Knie. „Stefanie, willst du meine Frau werden?“

Stefanies Augen wurden groß. Verwirrt konnte sie nur stammeln: „Aber Marie? Du hast sie doch gefragt?“

„Marie?“

„Ja, am Tag, wo ich dich verlassen habe. Da habe ich euch gesehen, wie du ihr auch einen Antrag gemacht hast!“

„Das hast du gesehen? Oh Mann… jetzt verstehe ich, warum du plötzlich weg warst.“

„Aber ich verstehe gar nichts.“

Thorsten erhob sich wieder, trat an Stefanie heran und nahm ihren Kopf zwischen seine Hände. Er sah sie mit einem Blick an, den sie noch nie von ihm gesehen hatte.

„Stefanie, Marie weiß Bescheid. Das war die Probe! Dein Trennungsjahr war letzte Woche vorbei. Da dachte ich, das sei ein passender Zeitpunkt, dir einen Antrag zu machen. Und da ich nicht alle Tage einen Kniefall mache, wollte ich das erst proben. Selbst ich bin vor Heiratsanträgen nervös.“

Stefanie wurde schwindlig. Sie klammerte sich an Thorsten fest, der sie auffing und zu dem kleinen Sofa in einer Ecke des Dachbodens trug.

„Geht es wieder?“ fragte er besorgt.

„Ein Schluck Wasser wäre toll.“

Schnell holte er ihr ein Glas. Nachdem sie es getrunken hatte fragte er: „Besser?“

„Ja, viel besser.“

„Und, willst du mich denn nun? Mit all meinen Fehlern, Macken und Perversitäten? Denn glaube nicht, dass sich viel ändern wird. Ich bin, wie ich bin.“

Stefanie blickte Thorsten ernst an.

„Ja, ich will dich. Ich will dir immer gehören! Sonst wäre ich heute nicht zurückgekommen. Ich hätte ja sogar Marie als deine Ehefrau akzeptiert.“

Daraufhin holte er einen Ring aus seiner Hosentasche und steckte ihn ihr an.

„Dann soll es so sein.“ meinte er nur noch, bevor er sie zum ersten Mal, seit dem sie zusammen waren, leidenschaftlich küsste.

„Nun ist sie wieder weg.“ sagte Tina, nachdem sie Stefanie verabschiedet hatten, die ihre Sachen wieder zurückgeholt und alles erzählt hatte.

„Ja, seltsam, nicht?“

„Glaubst du, sie wird glücklich mit ihm?“

„Ich wünsche es ihr jedenfalls. Wissen tut man das wohl bei keiner Ehe, egal wie besonders sie sein mag.“

„Mein Fall wäre es nicht. Es wäre mir zu extrem.“ meinte Tina nachdenklich.

„Ja, das sehe ich auch so. Aber jeder Mensch hat seinen eigenen Weg zum Glück.“

„Für viele Menschen sind wir beide wohl auch extrem.“

„Das ist wohl wahr.“

Tina sah Andreas an, senkte dann den Blick und ging auf die Knie.

„Nanu“ sagte Andreas erstaunt. „Womit habe ich das denn verdient? Normalerweise muss man dich dazu etwas mehr zwingen.“

„Stefanie hat mich zum Nachdenken gebracht.“ kam von Tina, die ihre Position beibehielt. „Ich habe viel über meine eigene Submissivität nachgedacht. Ich denke, ich kann da noch weiter gehen.“

Andreas trat an sie heran, streichelte seiner Frau über den Kopf und sagte lächelnd: „Na, da sage ich nicht nein!“

© Devana Remold